Rechenschaftsbericht des Rektors 1995/96: Hochschuldidaktik

Maßnahmen zur Optimierung der Lehre werden in der öffentlichen Diskussion über kürzere Studienzeiten und Studienreform an Universitäten immer wieder als Desiderat genannt; an der Universität Tübingen gehören sie hingegen schon zum Alltag. Landesweit steht die Universität Tübingen mit der von der Weiterbildungsabteilung aufgebauten Werkstatt Lehren und Lernen an der Universität inzwischen an vorderster Stelle. Weil der Begriff der Hochschuldidaktik nicht selten mit Theorielastigkeit und Verschulung assoziiert wird, geht die Werkstatt Lehren und Lernen den entgegengesetzten Weg - strikt bedarfsbezogen, fallorientiert und pragmatisch werden punktuell ansetzende Workshops zur individuellen Entwicklung eines breiteren methodischen Repertoires bei Lehrenden angeboten.

Die immer wieder vermutete Zurückhaltung von Hochschullehrern gegenüber Lehrfragen hat sich in der Praxis dabei nicht bestätigt; das Problembewußtsein ist inzwischen deutlich gewachsen, die Nachfrage nach Werkstatt-Seminaren ebenfalls. Wurden 1995 sechs Fortbildungsseminare zu hochschuldidaktischen Themen angeboten, wird sich das Programm im laufenden wie auch im kommenden Jahr dank gestiegener finanzieller Förderung durch das Wissenschaftsministerium und entsprechend der Nachfrage fast verdoppeln. Ausgehend von den individuellen Unterrichtsaufgaben und der Lehrerfahrung kann inzwischen dabei stark differenziert werden: vom Tutorenkurs für fortgeschrittene Studierende bis zum Einzel-Coaching für sehr erfahrene Hochschullehrer reichen die (gut genutzten) Möglichkeiten. Dabei wird auf eine möglichst enge Beratung durch erfahrene und in der Lehre besonders engagierte Hochschullehrer geachtet: Unter Leitung des für Lehre zuständigen Prorektors beschäftigt sich eine zentrale Arbeitsgruppe Hochschuldidaktik der Universität mit Möglichkeiten zur Optimierung der Lehre und mit Ausbaumöglichkeiten für die hochschuldidaktische Fortbildung. Die Gruppe koordiniert die hochschuldidaktischen Initiativen der Fakutäten und berät über geeignete Themen und Adressaten künftiger hochschuldidaktischer Angebote. Der Arbeitsgruppe gehören Vertreter der Fakultäten, Hochschullehrer, Angehörige des akademischen Mittelbaus und Studierende an.

Ein Desiderat für die Zukunft soll nicht unerwähnt bleiben: Es muß gelingen, dieses Beispiel recht verstandener "Personalentwicklung" im Haushalt der Universität dauerhaft zu verankern und damit den bisher erreichten Erfolg für die Universität und ihre Lehrenden zu sichern. In einem ersten Schritt geht es darum, die bescheidene finanzielle Basis zu schaffen, die nach Auslaufen der jetzt verfügbaren Sondermittel Ende 1997 die Fortführung der Arbeit möglich macht. In einem zweiten Schritt sollte dem absehbar stark wachsenden Bedarf an kontinuierlicher Betreuung und Beratung von Hochschullehrern in Methoden-, Lehr- und Evaluierungsfragen Rechnung getragen werden. Dabei müßte auch an personelle Ressourcen für diesen Aufgabenbereich gedacht werden, dem von politischer Seite bereits ein erheblicher Stellenwert zugemessen wird; gemeint ist damit nicht ein eigenes Zentrum für Hochschuldidaktik - freilich wären genug positive Beispiele aus Deutschland, der Schweiz oder aus den Vereinigten Staaten für die hervorragende Wirkung eines derartigen Dienstleistungszentrums zu zitieren - vielmehr wären nachhaltige Effekte schon mit einer einzelnen Stelle zu erzielen, die an bereits bestehende Strukturen (z.B. in der Weiterbildungsabteilung) angebunden werden könnte.

Daß die Entwicklung der Lehrkompetenz vor allem für jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv ist, spricht für ein besonderes "Qualitätsbewußtsein"; sichtbar wird dabei ein hohes Maß an Verantwortung für den Erfolg in der eigenen Lehre. Weit nachrangig dagegen dürften Karriermuster oder Qualifikationsvorgaben (etwa der inzwischen geforderte Nachweis der Lehreignung für Habilitanden) für diesen Erfolg sein, denn nur "intrinsische Motivation" kann die Bereitschaft schaffen, sich über Jahre an Wochenenden und in der Freizeit mit der eigenen Lehrkompetenz auseinanderzusetzen. Genau dies geschieht beispielsweise im Interdisziplinären Didaktik-Arbeitskreis (IDA) , in dem sich vorwiegend jüngere Lehrende der Universität auf rein privater Grundlage zur gemeinsamen Arbeit an Methoden- und Unterrichtsfragen zusammenfinden. Dieser für Interessierte offene Kreis ist über die Weiterbildungsabteilung der Universität jederzeit erreichbar. Angeregt durch die ersten Werkstatt-Seminare arbeiten hier zwischen zehn und fünfzig für hochschuldidaktische Fragen Aufgeschlossene aus allen Fakultäten schon über Jahre mit. Sie organisieren dabei eigene Fortbildungsseminare für sich und sie geben ihre Erfahrungen inzwischen selbst in Seminaren der Werkstatt Lehren und Lernen an andere Kolleginnen und Kollegen weiter.

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wit@uni-tuebingen.de(wit@uni-tuebingen.de) - Stand: 26. März 1997